Kann man einen Pflichtteilsverzicht rückgängig machen? Der Fall der Adoptivkinder des Drogerieunternehmers Erwin Müller
Kategorie: Nachlassabwicklung
In einem kürzlich entschiedenen Rechtsstreit sorgten die Adoptivkinder des Drogerieunternehmers Erwin Müller für Schlagzeilen, als sie versuchten, ihren Pflichtteilsverzicht rückgängig zu machen. Die Frage, ob ein solcher Verzicht überhaupt aufgehoben werden kann, beschäftigt nun nicht nur Juristen, sondern auch viele Laien. Was steckt hinter dem Pflichtteilsverzicht und wann ist er sinnvoll?
Was ist ein Pflichtteilsverzicht?
Ein Pflichtteilsverzicht ist ein Vertrag, der es einem Erben ermöglicht, auf seinen gesetzlichen Pflichtteil am Erbe zu verzichten. Der Pflichtteil selbst ist die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, auf den ein Erbe bei gesetzlicher Erbfolge Anspruch hätte. Pflichtteilsberechtigt sind in der Regel der Ehegatte, eingetragene Lebenspartner und die Kinder des Erblassers.
Der Verzicht auf diesen Pflichtteil kann aus verschiedenen Gründen sinnvoll sein, beispielsweise um den Nachlass zu schützen oder Streitigkeiten unter den Erben zu vermeiden. Häufig wird der Verzicht im Zusammenhang mit einem sogenannten Berliner Testament genutzt, bei dem der überlebende Ehegatte als Alleinerbe eingesetzt wird und die Kinder zunächst enterbt werden. Der Pflichtteilsverzicht kann in solchen Fällen verhindern, dass das Erbe durch Pflichtteilsansprüche gefährdet wird.
Wann ist ein Pflichtteilsverzicht gültig?
Ein Pflichtteilsverzicht ist nur dann rechtswirksam, wenn er notariell beurkundet wurde. Dies stellt sicher, dass die betroffenen Parteien die Tragweite ihres Verzichts verstehen und sich über die Konsequenzen im Klaren sind. Ohne notarielle Beurkundung ist ein solcher Vertrag ungültig.
Die Anfechtung eines Pflichtteilsverzichts: Geht das?
Der Pflichtteilsverzicht kann nur unter sehr begrenzten Bedingungen rückgängig gemacht werden. Dies ist entweder durch beiderseitiges Einverständnis der betroffenen Parteien möglich – ebenfalls notariell zu beurkunden – oder durch Anfechtung. Eine Anfechtung kann auf Basis von Irrtum, Täuschung oder Drohung erfolgen. Auch die Sittenwidrigkeit kann ein Anfechtungsgrund sein, jedoch wird dies nur in seltenen Fällen anerkannt.
Im Fall der Adoptivkinder von Erwin Müller beriefen sich diese auf die Sittenwidrigkeit des Vertrags, da sie die Dokumente nicht rechtzeitig vorgelegt bekamen und sich in einer seelischen Zwangslage sahen. Das Gericht sah dies jedoch anders und entschied gegen die Kläger. Die Richterin argumentierte, dass die Kläger zum Zeitpunkt der Unterschrift voll geschäftsfähig waren und die Konsequenzen ihres Handelns abschätzen konnten.
Wann ist ein Pflichtteilsverzicht sinnvoll?
Ein Pflichtteilsverzicht ist in bestimmten familiären und finanziellen Situationen durchaus sinnvoll. Dies gilt insbesondere, wenn ein Nachlass größtenteils aus Immobilien oder Unternehmensanteilen besteht, die nicht einfach veräußert werden können, um einen Pflichtteilsanspruch zu erfüllen. Auch bei überschuldeten Erben oder wenn ein Erbe bereits zu Lebzeiten großzügige Zuwendungen erhalten hat, kann ein solcher Verzicht eine sinnvolle Option sein.
Die Berufung: Geht der Fall weiter?
Trotz der Niederlage im ersten Prozess geben sich die Adoptivkinder nicht geschlagen. Ihr Anwalt kündigte an, in Berufung zu gehen, da das Urteil seiner Ansicht nach gegen geltendes Recht verstoße. Ob die Kläger jedoch die finanziellen Mittel für eine Berufung aufbringen können, ist fraglich. Der Ausgang dieses Falls bleibt also weiterhin spannend.
Zusammenfassung: Das Wichtigste zum Pflichtteilsverzicht
- Ein Pflichtteilsverzicht muss notariell beurkundet werden, um wirksam zu sein.
- Der Verzicht kann sinnvoll sein, um den Nachlass zu schützen und Streit unter Erben zu vermeiden.
- Eine Anfechtung des Pflichtteilsverzichts ist nur unter strengen Voraussetzungen möglich.
- Der Fall der Adoptivkinder von Erwin Müller zeigt, wie schwierig es sein kann, einen solchen Verzicht rückgängig zu machen.
Dieser Fall verdeutlicht die Komplexität des Erbrechts und wie wichtig es ist, sich vor der Unterzeichnung eines Pflichtteilsverzichts umfassend beraten zu lassen.
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