Nachlassvermögen gemäß eines BFH-Urteils steuerfrei veräußern
Kategorie: Nachlassabwicklung
Der entgeltliche Erwerb eines Anteils an einer Erbengemeinschaft führt nicht zur anteiligen Anschaffung eines zum Gesamthandsvermögen der Erbengemeinschaft gehörenden Grundstücks.
Hintergrund
Sonstige Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften sind nach § 22 Nr. 2 i. V. mit § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken und Rechten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen (z. B. Erbbaurecht, Mineralgewinnungsrecht), bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt.
Sachverhalt
Die Beteiligten streiten über das Vorliegen von Einkünften nach § 22 Nr. 2 i. V. mit § 23 EStG in der im Streitjahr 2018 gültigen Fassung (EStG) wegen der Veräußerung von zur Erbmasse gehörendem Grundbesitz nach dem Erwerb aller übrigen Miterbenanteile durch einen Erben.
Die Revision des Klägers war begründet
- Nach dem Wortlaut sowie dem Sinn und Zweck des § 23 EStG sollen innerhalb der Veräußerungsfrist realisierte Wertänderungen eines bestimmten Wirtschaftsguts im Privatvermögen des Steuerpflichtigen der Einkommensteuer unterworfen werden. Daraus ergibt sich das Erfordernis der Nämlichkeit von angeschafftem und innerhalb der Haltefristen veräußertem Wirtschaftsgut, wobei Nämlichkeit Identität im wirtschaftlichen Sinn bedeutet. Wirtschaftliche Teilidentität ist grundsätzlich ausreichend, begründet ein privates Veräußerungsgeschäft aber nur für diesen Teil des betreffenden Wirtschaftsguts.
- Ob und in welchem Umfang Nämlichkeit gegeben ist oder ein anderes Wirtschaftsgut vorliegt, richtet sich nach einem wertenden Vergleich von angeschafftem und veräußertem Wirtschaftsgut unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls. Maßgebliche Kriterien sind die Gleichartigkeit, Funktionsgleichheit und Gleichwertigkeit von angeschafftem und veräußertem Wirtschaftsgut.
- Die Voraussetzungen eines privaten Veräußerungsgeschäfts i. S. von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG liegen nicht vor. Es besteht keine Nämlichkeit zwischen dem an-geschafften und dem veräußerten Wirtschaftsgut. Aufgrund notarieller Urkunde aus 2017 erwarb der Kläger die Erbanteile der beiden Kinder der Erblasserin, mithin die quotenmäßig bestimmte Teilhaberschaft an der Erbengemeinschaft als Gesamthandsgemeinschaft. Mit notarieller Urkunde (2018) veräußerte er hingegen das aus dem Nachlass stammende Grundstück.
Anmerkung von Dr. Nils Trossen, Richter im IX. Senat des BFH
Die vom BFH entschiedene Fallgestaltung beruht auf einer Gestaltungsempfehlung: Kauf des Erbanteils anstelle des Einzelwirtschaftsguts. Während der Alleinerbe oder der mit einem Vorausvermächtnis bedachte Erbe innerhalb der Zehnjahresfrist der Steuerverhaftung unterliegt, kann der Miterbe im Rahmen einer Erbengemeinschaft steuerfrei veräußern. Es ist daher aus steuerlicher Sicht sinnvoller, anstelle einer Einsetzung als Alleiner-be oder eines Vorausvermächtnisses den Erben nur zu 99,9 % einzusetzen und eine weitere Person mit 0,1 % und dem (Mit-) Erben ist über einen Erbschaftsverkauf seines Erbteils eine nicht steuerbare Veräußerung möglich.
Offen ist, was bei Erbengemeinschaften in Bezug auf § 17 EStG und § 21 UmwStG gilt.
Die Finanzverwaltung behandelt im BMF-Schreiben vom 14.03.2006, BStBl I 2006, 253 Rz 43 alle drei Fälle gleich. Verneint man auch bei § 17 EStG und bei § 21 UmwStG die Anschaffung/Veräußerung durch das Mitglied der Erbengemeinschaft, sind der Kauf eines Erbteils bzw. der Verkauf des Erbanteils mit Kapitalgesellschaften beim Gesellschafter in Bezug auf den Anteil an der Kapitalgesellschaft weder nach § 17 EStG noch nach § 21 UmwStG steuerbar.
In der Folge der Entscheidung bleibt daher spannend, wie die Finanzverwaltung oder auch ggf. der Gesetzgeber auf die BFH-Entscheidung reagieren werden. So hat der BFH nicht nur seine bisherige Rechtsprechung (vgl. BFH, Urteil v. 20.4.2004 – IX R 5/02 ) geändert, sondern auch gegen die Verwaltungsauffassung in Rz. 43 des BMF-Schreibens v. 14.3.2006 – IV B 2 – S 2242 – 7/06 entschieden.
Quelle: BFH, Urteil v. 26.9.2023 – IX R 13/22 ; NWB Datenbank (JT)
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