Reservierungsgebühr für Pflegeheimplatz ist unzulässig
Kategorie: Betreuung & Vorsorge
Alten- und Pflegeheime dürfen keine Reservierungsgebühren für die Zeit vor Einzug des Pflegebedürftigen erheben. Das gilt sowohl für gesetzlich als auch privat Versicherte. Der Bundesgerichtshof hat klargestellt, dass eventuell geleistete Zahlungen zurückgefordert werden können.
Sachverhalt
Für eine pflegebedürftige und inzwischen verstorbene Frau bestand eine private Pflegeversicherung. Die Dame sollte in einem Pflegeheim untergebracht werden. Ihr Sohn schloss deshalb als ihr Vertreter einen schriftlichen Heimvertrag mit der Einrichtungsträgerin. Der Einzug der neuen Bewohnerin erfolgte jedoch erst nach einigen Wochen.
Der Pflegevertrag sah vor, dass die (künftige) Bewohnerin vom Vertragsbeginn bis zum Einzugstermin eine Platzgebühr in Höhe von 75 Prozent der Pflegevergütung, der Entgelte für Unterkunft und Verpflegung sowie des Umlagebetrags nach der Altenpflegeausbildungsausgleichsverordnung (AltPflAusglVO) zu entrichten hat. Dementsprechend stellte die Heimträgerin dem Sohn für die Reservierung eines Zimmers eine Platzgebühr in Höhe von 1.127,84 € in Rechnung. Der Sohn bezahlte zunächst. Später forderte er die Heimträgerin erfolglos zur Rückzahlung auf.
Letzten Endes musste der Bundesgerichtshof den Rechtsstreit entscheiden.
Worum geht es
Es ist zu klären und zu entscheiden, ob der Sohn die Reservierungsgebühr von der Heimträgerin zurückfordern kann.
Ergebnis
Der Bundesgerichtshof stimmte der Argumentation des Sohnes zu und sah die Vereinbarung einer Platz-/Reservierungsgebühr mit den gesetzlichen Vorschriften als unvereinbar und deshalb unzulässig an. Die Heimträgerin wurde zur Rückerstattung des gesamten Betrags an den Sohn verpflichtet.
Die entscheidende gesetzliche Vorschrift für den Fall ist § 15 Abs. 1 Satz 1 Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG) in Verbindung mit § 87a Abs. 1 Satz 1 Soziales Gesetzbuch (SGB) XI.
§ 15 Abs. 1 WBVG schließt auch Verbraucher mit ein, die Leistungen einer privaten Pflegepflichtversicherung erhalten und damit mittelbar Leistungen auf der Basis des Vierten Kapitels des SGB XI in Anspruch nehmen. Dafür spricht vor allem die Gesetzesbegründung. Darin wird ausgeführt, dass mit § 15 Abs. 1 WBVG eine Sonderregelung für das Verhältnis zwischen vertraglichen Vereinbarungen von Unternehmer und Verbraucher sowie den gesetzlichen Regelungen des SGB XI geschaffen wurde. Vertragliche Vereinbarungen, die den Vorschriften des SGB XI und den aufgrund dieser Vorschriften getroffenen Regelungen nicht entsprächen, sind unwirksam. Erfasst würden mit der Bezugnahme auf die Regelungen des SGB XI auch die Fälle mittelbarer Leistungsinanspruchnahme im Rahmen der privaten Pflegepflichtversicherung.
§ 87a SGB XI regelt die Berechnung und Zahlung des Heimentgelts. Nach § 87a Abs. 1 SGB XI werden die Pflegesätze, die Entgelte für Unterkunft und Verpflegung sowie die gesondert berechenbaren Investitionskosten (Gesamtheimentgelt) für den Tag der Aufnahme des Pflegebedürftigen in das Pflegeheim sowie für jeden weiteren Tag des Heimaufenthalts berechnet (Berechnungstag).
Es ist mit § 87a Abs. 1 Satz 1 SGB XI unvereinbar, eine Platz- oder Reservierungsgebühr auf der Basis des vertraglichen Leistungsentgelts – gegebenenfalls vermindert um pauschalierte ersparte Aufwendungen – für die Zeit vor der Aufnahme des Pflegebedürftigen in das Pflegeheim bis zum tatsächlichen Einzugstermin vertraglich festzulegen. Dies widerspräche nicht nur dem Prinzip der Abrechnung der tatsächlichen Leistungserbringung auf Tagesbasis, sondern begründete auch die (naheliegende) Gefahr, dass Leerstände im Anschluss an einen Auszug oder das Versterben eines Heimbewohners doppelt berücksichtigt würden, nämlich zum einen über die in die Pflegesätze eingeflossene Auslastungskalkulation und/ oder etwaige Wagnis- und Risikozuschläge sowie zum anderen über die zusätzliche Inrechnungstellung eines Leistungsentgelts ohne tatsächliche Leistungserbringung gegenüber einem zukünftigen Heimbewohner.
Das bedeutet das Urteil für die Praxis: Mit dieser Entscheidung hat der Bundesgerichtshof Klartext gesprochen. Sollte ein Heimvertrag abgeschlossen werden, dann ist sorgfältig das Kleingedruckte zu lesen, um sich vor unliebsamen Überraschungen zu schützen.
Quelle: Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.07.2021, Az. III ZR 225/20, Pressemitteilung vom 15.07.2021
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